Das Braunkehlchen ist Vogel des Jahres 2023.
Das Braunkehlchen hat seinen Namen von seiner braun-orangen Brust und Kehle. Wegen seines weißen Gesichtsbandes über den Augen wird es auch „Wiesenclown“ genannt. Foto: ihorhvozdetskiy/AdobeStock
9. Dezember 2022 | Bürgerinfo

Vogel des Jahres 2023: das Braunkehlchen

Feldspatz, Neuntöter, Teichhuhn, Trauerschnäpper und Braunkehlchen standen zur Wahl. Von rund 135 000 Stimmen entschied sich mit knapp 44 Prozent die Mehrheit für das Braunkehlchen Saxicola rubetra. Es hatte der Deutsche Bund für Vogelschutz (1990 in NABU umgetauft) bereits 1987 zum Jahresvogel auserkoren. Damals wurde sein dramatisch abnehmender Bestand in Deutschland auf maximal 52 000 Brutpaare geschätzt. Heute sind es nur noch 19 500 bis 35 000.

Das Braunkehlchen im Grünen Band

Laut dem NABU kommt das Braunkehlchen am häufigsten noch in den weniger dicht besiedelten Regionen im Osten und Nordosten der Republik vor. Der stark gefährdete Wiesenbrüter ist eine Symbolart des Grünen Bandes, dem Naturschutzprojekt des BUND auf der ehemaligen innerdeutschen Demarkationslinie. Grüne-Band-Namenserfinder Kai Frobel vom BUND Naturschutz in Bayern wuchs im Landkreis Coburg in Sichtweite der Grenze auf. „Auf den Grenzzäunen balzten Braunkehlchen. Da musste man einfach drüber stolpern, wenn man halbwegs die Augen offenhielt“, sagte er. Frobel erkannte als Erster den erstaunlichen Artenreichtum im Niemandsland der deutsch-deutschen Grenze.

Intensive Landwirtschaft bedroht das Braunkehlchen

Genau solche ungestörten und verwilderten Flächen bevorzugt das Braunkehlchen als Lebens- und Brutraum. Für solche Zufluchtsorte sehen Ornithologen das Braunkehlchen denn auch als idealen Indikator. „Es fällt oft dadurch auf, dass es auf einer Singwarte, die nicht zu hoch sein braucht, exponiert zu sehen und zu hören ist“, schrieb der frühere NABU-Vize Helmut Opitz in seiner Rückschau auf alle Jahresvögel bis 2013. „In vielen Gebieten war die Art zurückgegangen oder ganz verschwunden, obwohl noch Wiesen vorhanden waren.“

Grund für den Schwund des Braunkehlchens sei damals die Intensivierung der Landwirtschaft gewesen, so Opitz, „in erster Linie die Vorverlegung der Mahd bzw. der Heuernte, die regelmäßig die Mehrzahl der Bruten vernichtete“. So stand der Vogel also 1987 für „eine grundsätzlich verfehlte Agrarpolitik“. Und heute?

„Obwohl die Ursachen und Bedürfnisse bekannt sind, geht der Schwund der Feld- und Wiesenvögel ungebremst weiter“, sagt Stefan Bosch vom NABU Baden-Württemberg. Brachen würden überbaut, Wiesen für Tierfutter häufig gemäht, gedüngt und Ackerränder mit Blüten mit bewirtschaftet. Den Absturz des Bestands bringt die Rote Liste für den Südwesten auf den Punkt: Dort sind nur noch 200 bis 320 Paare zu finden, die Hälfte davon brütet am Federsee, weitere Schwerpunkte liegen am Oberrhein, im Südschwarzwald und auf der Schwäbischen Alb.

Besonders in Nordrhein-Westfalen gefährdet

Noch schlechter geht es dem Braunkehlchen in Nordrhein-Westfalen. Dort wird der Vogel des Jahres 2023 in der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Ursprünglich zahl-reich in feuchten Wiesen- und Weidelandschaften des niederrheinischen und westfälischen Tieflandes sowie in Grünlandbereichen des Mittelgebirges beheimatet, finde man das Braunkehlchen hierzulande heute nur noch in unter Naturschutz stehenden Gebieten wie den Hochflächen des Westerwaldes, den ausgedehnten Wiesenlandschaften im Kreis-Siegen-Wittgenstein und der Medebacher Bucht im Hoch-sauerlandkreis. Im Tiefland von NRW ist das Braunkehlchen ausgestorben. Aktuell beträgt der Brutbestand nur noch 180 bis 200 Paare.

Mehr Brachflächen und blütenreiche Wiesen

„Dem Braunkehlchen fehlen einfach extensiv genutzte Grünlandbereiche mit einzelnen Büschen und hohen Stauden, ersatzweise Weidezäunen, welche die Vögel als Sing- und Ansitzwarte nutzen. Strukturen also, die in der modernen Landwirtschaft keinen Platz mehr haben, für den kleinen Sänger aber besonders wichtig sind“, erläutert NRW-NABU-Vize Christian Chwallek die Situation des Braunkehlchens in seinem Bundesland. „Um ihm zu helfen, braucht es neben den Vogelschutzgebieten weitere braunkehlchengerechte Lebensräume in unseren Mittelgebirgen. Wir brauchen wieder mehr Saumstrukturen, Brachflächen und blütenreiche Wiesen in unserer Landschaft.“

Steckbrief Braunkelchen
NAME: Der wissenschaftliche Name des Braunkehlchens lautet Saxicola rubetra von lat. saxum = Fels, Stein und -cola = -bewohner; rubetra ist aus altgriech. batos = Brombeere und lat. rubus = Busch zusammengesetzt, also der Pflanze, die diesen Vögeln Schutz und Nahrung bietet. KENNZEICHEN: Braunkehlchen haben in jedem Alter einen hellen Streifen über dem Auge, bei Männchen ist er leuchtend weiß. Kehle und Brust sind orangebraun gefärbt, der Rücken braun mit dunklen Flecken. NEST: Zur knappen Brutzeit von Mai bis August besiedelt das Braunkehlchen gern feuchtere Flächen mit mehrjährigem Pflanzenbestand und Krautstängeln, wie man sie entlang von Bächen und Gräben findet. Hier baut es sein Nest unter einem Grasbüschel am Boden versteckt. Angrenzende magere, blütenreiche Wiesen bieten ein reichhaltiges Insektenangebot. ZUGVOGEL: Das Braunkehlchen verbringt den Winter mehr als 5000 Kilometer von Deutschland entfernt in tropischen Gebieten Afrikas. Erst Ende April kehrt das Braunkehlchen nach langem Flug aus seinem Überwinterungsgebiet südlich der Sahara zu uns zurück und tritt bereits ab Mitte August wieder den Rückflug an. NAHRUNG: Auf dem Speiseplan des Braunkehlchens stehen diverse Insekten, Würmer und Spinnen. Im Herbst frisst es auch Beeren.

Vogel des Jahres: das Braunkehlchen:  Vogelporträt: Braunkehlchen – NABU

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe Dezember 2022.