Vieles spricht für ein Tempolimit auf deutschen Straßen.
Vieles spricht für ein Tempolimit auf deutschen Straßen. Foto: Anselm/AdobeStock
8. Mai 2024 | Mobilität und Verkehr

Tempolimit: Runter vom Gas!

Ob sich diese Redensart zum Tempolimit bald erledigt hat? „Runter vom Gas!“ ersetzt wird durch „Runter vom Strom!“ Doch so weit, überwiegend Elektroautos auf maßvolle Geschwindigkeiten zu mahnen, sind wir noch lange nicht. Deshalb hat diese Verkehrssicherheitskampagne für die Verbrenner weiterhin hohe Relevanz. Sie bedeutet weniger Unfälle, weniger Verkehrstote.

Beispiele Frankreich und Niederlande

In Frankreich hat man 2018 ein Tempolimit von 80 kmh auf der Landstraße eingeführt. „Mit großem Erfolg“, sagt Tourismus-Professor Stefan Gössling. Es sei zunächst ein Probelauf gewesen, den man verstetigt habe, „weil die Effekte so positiv waren“. Auch in den Niederlanden hat man die zulässige Höchstgeschwindigkeit gesenkt: Tempo 100 auf Autobahnen! Grund waren zu hohe Stickoxid-Emissionen. „Nach geraumer Zeit der Einführung sind die Holländer sehr zufrieden damit und wollen nicht auf die alte Geschwindigkeit zurück“, sagt Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung. In Deutschland wäre der oberste Benefit eines Tempolimits CO2-Vermeidung – auch um den Verkehrssektor hierzulande endlich auf Klimazielpfad zu lenken. Doch das lehnt Verkehrsminister Wissing weiterhin beharrlich ab.

Wie viel CO2 spart ein Tempolimit ein?

Wieviel CO2-Eindämmung bringt ein Tempolimit? Dazu hat das Umweltbundesamt (UBA) 2023 neue Berechnungen veröffentlicht: Eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h auf Autobahnen könnte die Treibhausgasemissionen jährlich um 4,2 Prozent oder 6,7 Mio. t CO2-Äquivalente pro Jahr verringern. Würde zusätzlich Tempo 80 auf Landstraßen gelten, wären 5,1 Prozent Minderung drin bzw. bis zu 8 Mio. t CO2-Äquivalente pro Jahr. Hier hat das UBA mit berechnet, dass ein langsameres Autoverkehrssystem dazu führe, dass wiederum ein schnellerer Schienenfernverkehr attraktiver würde – und man mit dem ICE statt mit dem PKW führe.

Eine fantastische politische Maßnahme

„Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Tempolimit eine fantastische politische Maßnahme“, sagt Fraunhofer-Forscher Patrick Plötz. „Es adressiert sofort den gesamten fossilen PKW-Bestand.“ Es koste kein Geld bis auf einen minimalen Ausfall der Energiesteuereinnahmen. Und ein Tempolimit erfordere nicht mal ein neues Gesetz, müsse nicht durch den Bundestag, sondern benötige nur eine Änderung der Straßenverkehrsordnung. „Dafür reicht der Kabinettsbeschluss.“ Gleichzeitig habe man weniger Unfälle, besseren Verkehrsfluss, weniger Tote, weniger Schadstoffbelastung. „Alles sofort umsetzbar“, schwärmt Plötz, „ein Traum von einer Maßnahme“. Dass die dann auch im Nachgang sehr populär werden könne, sagt der System- und Innovationsforscher, zeigten die Erfahrungen anderer Länder.

Breite Bevölkerungsmehrheit für Tempolimit

Dabei gibt es unzählige Studien, die belegen, dass eine breite Bevölkerungsmehrheit bereits dafür sei, sagt Tourismusprofessor Stefan Gössling von der Linnaeus Universität im schwedischen Kalmar. Es gebe nur „eine sehr kleine, sehr lautstarke Minderheit, die sehr weit gehen würde, um dieses Tempolimit zu bekämpfen“. Daran könne man auch das Wahlverhalten festmachen. Die Verweigerungshaltung fürs Tempolimit von FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing bedient da offensichtlich eine kleine Klientel gegen mehrheitlichen Bevölkerungswunsch.

Kommunen wollen mehr Selbstbestimmung bei Tempo 30

Auch die mittlerweile 1068 Städte, Gemeinden und Landkreise, die mehr Entscheidungsfreiheit für Tempo30 innerorts fordern, sind auf Wissing derzeit nicht gut zu sprechen. Nachdem die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes am 24. November 2023 im Bundesrat am Veto von neun Ländern gescheitert war – mit der Begründung, dass man das Ziel der Sicherheit des Straßenverkehrs nicht aufweichen dürfe, weil andere Ziele wie Klimaschutz hinzukämen –, schrieb die Tempo30-Städte-initiative Wissing einen Brief.

Darin wird der Bundesverkehrsminister dringend zur Anrufung des Vermittlungsausschusses aufgefordert, um „ein zentrales Anliegen aller Beteiligten doch noch zum Kompromiss zu führen“. Für die Einleitung des Vermittlungsausschusses soll sich Wissing offen gezeigt haben, berichtet der ADAC, aber erst dann, wenn sich im Bundesrat eine Mehrheit für die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes abzeichne. Demnach sollten Kommunen Verkehrsbeschränkungen allein aus Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutzgründen anordnen können. Dabei müssen sie die Sicherheit des Verkehrs und dessen Fluss weiter berücksichtigen, doch sind diese Kriterien nicht mehr allein ausschlaggebend. Örtliche Behörden könnten dann leichter den ÖPNV durch Sonderspuren bevorrechtigen, Infrastruktur für den Radverkehr ausbauen sowie Tempo-30-Zonen oder Spielstraßen einrichten.

Autor: Tim Bartels, in  UmweltBriefe, Mai 2024


Die vom UBA berechneten CO2-Minderungspotenziale bei Tempolimits auf Autobahn und Landstraße lesen Sie unter:  https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/nachhaltige-mobilitaet/tempolimit

Die Städteinitiative für mehr Freiheiten bei der Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen finden Sie unter  https://lebenswerte-staedte.de

Karten und Infografiken zu Kommunen, die sich der Tempo30-Initiative angeschlossen haben, sehen Sie unter:  https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/kommunen-fuer-tempo-30/


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