Hilft die Umrüstung von PKW gegen die Luftverschmutzung in Städten?
Hilft die Umrüstung von PKW gegen die Luftverschmutzung in Städten? Foto: Ingo Bartussek/AdobeStock
1. November 2018 | Mobilität und Verkehr

Luftverschmutzung: Skepsis ist Trumpf

Die Umrüstung der PKW sei „ein gutes Konzept, um die Luft in den Städten sauberer zu machen“, behauptete Umweltministerin Svenja Schulze nach der Koalitionseinigung Anfang Oktober 2018. Dabei ist die Verwirrung komplett. Und nicht wenige zweifeln daran, dass damit wirklich etwas gegen die Luftverschmutzung in Städten getan und Fahrverbote verhindert werden können.

Wer zahlt die Umrüstung?

Betroffene Autofahrer in 15 „Intensivstädten“, die im Jahresmittel einen Stickstoffdioxidwert von mehr als 50 µg/m3 messen, „wissen jetzt, wie sie aus der Dieselkrise herauskommen, ohne selber hohe Kosten tragen zu müssen“, sagte die Ministerin. Euro-5-Diesel in den besonders belasteten Regionen sollen mit einem SCR-Katalysator nachgerüstet werden können, teilt das Verkehrsministerium mit. Wer zahlt’s? „Der Bund erwartet vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt.“

Doch die haben dem keineswegs zugesagt, lehnen vielmehr eine Nachrüstung weiter ab. Versprochen haben sie dagegen, Prämien und Rabatte anzubieten, wer seinen Euro-4- oder Euro-5-Diesel aufgibt und einen saubereren Neu- oder Gebrauchtwagen kauft. Die Autoindustrie wird also, wie es „Die Zeit“ formuliert, „für ihren Betrug irrwitzigerweise mit einem gigantischen Konjunkturprogramm belohnt“. Für Kommunen, die das Stickstoffdioxidlimit von 40μg/m³ Luft überschreiten, sowie für die dort arbeitenden Handwerker und Lieferanten will der Bund die Umrüstkosten ihrer alten Dieselwagen zu 80 Prozent erstatten. „Für den Restanteil wird die Bundesregierung mit den Automobilherstellern über die Kostentragung verhandeln“, heißt es dazu beim BMVI.

Neue Diesel gegen Luftverschmutzung?

Das Umweltbundesamt (UBA) zweifelt daran, dass der Umtausch älterer Diesel gegen neue Modelle Fahrverbote verhindern werde. „Wir sehen nicht, dass sich damit die Grenzwerte bis 2020 einhalten lassen werden“, sagte dessen Leiterin für Luft, Marion Wichmann-Fiebig gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Die Prämien seien besonders attraktiv, wenn die Dieselhalter größere Modelle auswählen. Diese stießen aber wiederum auch mehr Schadstoffe aus, gibt die Luftreinhalteexpertin zu bedenken.

„Sicher ist, dass ein hoher Prozentsatz der Euro-5-Diesel-PKW nachgerüstet werden müsste, um einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität in mit Stickstoffdioxid hoch belasteten Städten zu erreichen“, heißt es aus dem UBA. Es gebe aber noch keine verlässlichen Zahlen darüber, ob und wie viele Autos überhaupt nachrüstbar wären. Das BMVI lässt das derzeit untersuchen. Nach UBA-Angaben kann man für einen Euro-5-Diesel-PKW im realen Betrieb die Stickoxidemissionen zu mehr als 90 Prozent eindämmen. Exakt sei die Minderungsrate aber nicht bestimmbar, weil Nachrüstkonzepte noch keinen festen Qualitätsstandards unterlägen. „Eine entsprechende Zulassungsrichtlinie wäre noch zu erarbeiten.“

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) muss dafür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Es werde also noch viele Monate dauern, bis die Autos zur Nachrüstung in die Werkstatt dürfen und weitere Monate, „bis wir einen Effekt messen können“, sagte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann gegenüber der FAZ. „Wir werden uns die Messwerte Mitte 2019 anschauen.“ Auch bei den Umtauschprämienangeboten sieht Hermann große Unwägbarkeiten. „Auch hier dürfte es Monate dauern, bis die Flottenerneuerung durch Umtauscheffekte vorankommt und die Luft besser wird.“ Hermann findet es unverständlich, dass ausschließlich Bewohner der betroffenen Städte und Umlandkreise sowie Pendler von der Umtauschprämie und der Nachrüstung profitieren sollen. „Das schafft einen großen unnötigen Regelungsbedarf.“

Selbst mit einem Rabatt können sich viele einen PKW-Neukauf ohnehin gar nicht leisten, kritisiert Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther den Diesel-Plan der Bundesregierung. Sie habe „eine Mogelpackung geschnürt“, schreibt Günther im Berliner Tagesspiegel. Zudem sei es „unökologisch, weil ältere Diesel nachgerüstet werden können, statt sie zu verschrotten“. Es sei nicht garantiert, dass Neuwagen wirklich sauber sind.

Das Aus für Verbrennungsmotoren

„Bei Millionen Privatfahrern in Deutschland allein auf den Kauf neuer Autos zu setzen, ist zu wenig“, meint auch Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht. Er glaube nicht daran, dass es in großem Stil angenommen werde. „Das Konzept verschleppt das Problem lediglich“, sagte Albrecht gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Auf den Straßen führen danach vielleicht einige neue Autos, die aber technisch kaum besser seien. „Wir sollten klar definieren, wann keine Benziner oder Diesel als Neuwagen mehr zugelassen werden“, fordert der Grüne. Unsere Nachbarländer machten es ja bereits vor: in Belgien und Dänemark soll 2030, in Frankreich 2040 Schluss mit den Verbrennungsmotoren sein. Auch der Bundesrat hat sich für 2030 ausgesprochen.

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, November 2018.

Eine Liste der Städte mit den NO2-Grenzwert-überschreitungen 2017 steht zum Download bereit unter www.umweltbundesamt.de/dokument/no2-belastung-2017-stand-24102018.