Die Erderwärmung ist in Deutschland im Vergleich zur frühindustriellen Zeit um 2,5 ⁰C gestiegen. Zweikommafünf Grad Celsius! Ist das Ziel des Pariser Klimaabkommens also hierzulande bereits weit überschritten? Und vermeldete der Deutsche Wetterdienst (DWD) nicht Mitte 2021, dass die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur in Deutschland seit 1881 „erst“ um 1,6 Grad gestiegen sei? Binnen vier Jahren also ein Sprung um fast ein Grad?
Neue Klima-Trendlinie
Die Erklärung des Wetterdienstes: Man nutze mit dieser aktuellen Bilanz „eine neue Klima-Trendlinie“, die den zuletzt gemessenen beschleunigten Temperaturanstieg deutlich besser abbilden könne als die bisher verwendete lineare Methode. Nach der wäre Deutschland „nur“ bei 1,9 Grad gelandet.
Der DWD nutzte zur Darstellung der Temperaturveränderung in Deutschland bislang immer einen linearen Trend, zog also seit Beginn der Messungen durch die jährlichen Werte eine Gerade. Diese Methode könne allerdings „die beschleunigte Erwärmung der vergangenen 50 Jahre nicht angemessen darstellen“, sagt DWD-Vorstand für Klima und Umwelt, Tobias Fuchs.
Beschleunigte Erderwärmung
Seit den 1970er Jahren liege der Temperaturanstieg pro Jahrzehnt nämlich bei 0,41 Grad. Betrachte man aber den gesamten Zeitraum seit 1881 liege die Erderwärmung im Schnitt bei nur 0,13 Grad pro Dekade. Es wurde aber seit 50 Jahren immer schneller wärmer. „Seit den 1960er Jahren ist jede Zehnjahresperiode wärmer als die vorhergehende gewesen“, berichtet Fuchs: „2015 bis 2024 war hierzulande die wärmste Zehnjahresperiode seit 1881, die zehn wärmsten Jahre sind in den vergangenen 25 Jahren aufgetreten.“ Um das genauer abbilden zu können, verwendet der DWD nun ab sofort eine neue Berechnungsmethode. „Der DWD hat nicht neu gemessen, die Welt ist dieselbe wie vorher“, so Fuchs. Doch die Realität, vor allem die beschleunigte Erderwärmung werde jetzt besser beschrieben.
„Die Welt ist eben nicht linear gestrickt“, betont DWD-Klimaüberwachungsleiter Andreas Becker. Es habe immer wieder auch kühlere Phasen gegeben und schließlich die warme Welle der vergangenen 50 Jahre. Die Temperatur steige also nicht gleichmäßig, sondern beschleunigt an, so Becker: „Wir benötigen deshalb eine Klimatrendlinie, die dieses nicht-lineare Verhalten anzeigt.“
Nicht-lineare Temperaturentwicklung besser abbildbar
Um die tatsächliche, oft nicht-lineare Dynamik der Temperaturentwicklung abzubilden, hat sich der DWD für den „LOESSFilter“ entschieden. Das steht für Locally Estimated Scatterplot Smoothing. „Locally“ meint, dass nicht der gesamte Messzeitraum gemittelt wird, sondern nur ein bestimmtes Zeitfenster. Die Zeitreihe wird demnach geglättet. Das verhindert eine Verzerrung des Kurvenverlaufs durch einzelne Extremwerte. Nachbarwerte um einen Datenpunkt herum werden mehr gewichtet als weiter entfernte Werte. Aus mehreren dieser lokalen Mittelwerte ergibt sich dann die Loess-Trendlinie.
Ein weiterer Vorteil des neuen Verfahrens sei, so Tobias Fuchs, dass der historische Verlauf der Kurve gleich bleibe und nicht wie im Fall des linearen Trends, nach der sich die Gerade immer wieder in Gänze verändere. Damit könne man auch eine Stagnation der Erderwärmung oder gar „einen Rückgang durch erfolgreichen Klimaschutz zeitnah erfassen“, so der DWD-Vorstand. So viel Hoffnung und Optimismus muss sein.
Deutschland erwärmt sich schneller als andere Länder
Ist zu fragen, ob sich auch andere Länder vom linearen Trend – weltweit wird damit ein Plus von 1,55 Grad angegeben – verabschieden. Die Zeit hat vom DWD in Offenbach erfahren, dass die Weltmeteorologieorganisation WMO ebenfalls eine Umstellung diskutiere. „In den Niederlanden nutzt man das Verfahren bereits seit Längerem, in der Schweiz wird es seit 2024 eingesetzt, bald soll auch Österreich folgen“, berichtet das Wochenblatt. Festzuhalten bleibt: Auch der lineare Trend mit 1,9 Grad Erderwärmung seit 1881 zeigt, dass sich Deutschland schneller erwärmt als andere Länder und wiederum über Europa weltweit die schnellste Erhitzung gemessen wird. Das belegt der vom EU-Klimadienst Copernicus und von der WMO vorgelegte jüngste Bericht.
Autor: Tim Bartels, UmweltBriefe Mai 2025
Der Deutsche Wetterdienst über Lokalklimamodelle: Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Lokalklimamodelle
DWD zur Messung des Stadtklimas: Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Messung des Stadtklimas
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