Beim Tempolimit fordern Kommunen mehr Handlungsfreiheit
Städte und Gemeinden wollen beim Tempolimit mehr Mitspracherecht. Foto: Tobias Arhelger, AdobeStock
6. Juli 2022 | Kommunales Nachhaltigkeitsmanagement

Tempolimit: Kommunaler K(r)ampf

Seit einem Jahr fordern 7 Großstädte „mehr Handlungsfreiheit“ beim Thema Tempolimit, seit kurzem mehr als 200 Kommunen!

Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“

Thomas Dienberg zeigte sich „wirklich beeindruckt“. Mehr als 160 Teilneh­merInnen hatten sich zur ersten Konfe­renz der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ am 22. Juni zugeschaltet. „Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Dienberg, der für die Initiative spricht und in Leipzig als Baubürgermeister auch für Stadtentwicklung zuständig ist. Die große Resonanz ist aber auch kein Wunder, schließ­lich haben sich mittlerweile bereits mehr als 200 Kommunen der Aktion angeschlossen.

Was fordern diese Gemeinden (darunter auch kleinere mit nur 1 000 Einwohnern)? „Wir fordern nicht die sofortige Einführung von Tempo 30 in den Städten“, sagt Theresa Kodritsch aus der Geschäftsstelle. Vielmehr wolle man dies: mehr Handlungsfreiheit.

Mehr Handlungsfreiheit für Kommunen

„Die Kommunen haben immer noch nicht die Möglichkeit zu entscheiden, wann und wo Geschwindigkeiten flexibel und ortsbezo­gen angeordnet werden“, heißt es in dem Po­sitionspapier, das im Juli 2021 zunächst sie­ben Großstädte formuliert hatten – ein Jahr später haben es 206 Städte und Gemeinden unterzeichnet. Sie fordern den Bund auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaf­fen,  das Tempolimit von 30 km/h dort innerorts anordnen zu können, „wo sie es für notwendig halten“.

Verhandeln mit der Bundesregierung

Die Bundes-Ampel will das ja auch, zumin­dest wenn es nach dem Koalitionsvertrag geht. Darin heißt es: „Wir werden Straßen­verkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima-und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksich­tigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.“

An Verkehrsminister Volker Wissing habe man im April einen Brief geschrieben und ein Gespräch angeboten, sagte während der On­line-Konferenz Initiativensprecher Thomas Dienberg: „Auf seine Reaktion warten wir bis heute.“ Nicht mal der Eingang des Schreibens wurde bestätigt. Dass aber eine Antwort in Vorbereitung sei, soll Wissings Staatssekretär Oliver Luksic versichert haben.

Verkehrssicherheit und Lärmschutz als möglich Hebel

Wie eingeschränkt ihr Instrumentenkoffer bestückt ist, machten Darmstadt, Konstanz, Leipzig und Ulm deutlich: Straßen trotz schlechter Sicht, engem Querschnitt, altem Baumbestand und spürbarer Längsneigung erlaubten keinen Sonderweg der Kommune, eigenmächtig auf Tempo 30 umzustellen.

Doch „manches geht, auch wenn es die StVO gar nicht will“, sagte Roman Ringwald von der Anwaltskanzlei BBH. Die Sicherheit werde ja durch ein Tempolimit enorm gestärkt. Anpassen könnte der Gesetzgeber die Regel­geschwindigkeit, eben 30 km/h; 50 wäre dann die Ausnahme. So ähnlich auch dieser An­satz: Das gelbe Ortsschild verpflichtet grund­sätzlich zu Tempo 30, allein für Vorfahrtstra­ßen gilt 50. „Dann könnten viele Schilder wie für die 30er-Zone und für die Fahrradzone entfallen“, sagte der strategische Verkehrspla­ner von Konstanz, Stephan Fischer.

Auch über den Lärmschutz haben Kommu­nen das Heft in der Hand, hie und da ein Tempolimit von 30 km/h einzuführen. Darauf weist die DUH mit einem Rechtsgutachten hin. Bis Mitte 2024 müssen Gemeinden Lärmaktionspläne auf­stellen, in denen auch Tempolimits vorgese­hen sein können. Doch „Obacht“: Wenn viele Bäume die Straße säumen, können die ja den Lärm schlucken. Damit sei der Lärmschutz für Anwohnende erfüllt, hieß es aus Darm­stadt. Dort war dann 30 wieder nicht erlaubt.

Das ist jetzt Aufgabe der Bundesregierung

Es hilft nichts, Paragraf 45 in der StVO muss angepasst werden. „Das ist jetzt Aufgabe der Bundesregierung“, sagt auch Christian Hoch­feld von der Agora Verkehrswende. Es gehe dabei ja auch um Klimaschutz. Herr Bundesverkehrsminister, bitte übernehmen Sie!

Das Video zur Konferenz der Städteinitiative:  Konferenz „Lebenswerte Städte durch stadtverträgliche Geschwindigkeiten“ – YouTube

Die Website der Städteinitiative erreichen Sie unter:  Die Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angepasste Geschwindigkeiten“ (lebenswerte-staedte.de)

 

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, Juli/August 2022.

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