Der Versuch, mit einer weltweiten Plastikkonvention den Abschied von diesem Werkstoff einzuläuten, ist Anfang Juni in Genf gescheitert. Doch Kommunen sind nicht machtlos. Vielmehr haben sie eine Schlüsselrolle in der Vermeidung von Plastikmüll und somit auch bei der Minderung der Meeresverschmutzung. Wie vielfältig die Handlungsoptionen für Städte und Gemeinden sind, zeigt eine Sammlung von Best-Practice-Beispielen in einem Leitfaden des „Runden Tisch Meeresmüll“.
Plastikmüll ist große Belastung für Meere
Das Meer ist durch die zunehmende Verschmutzung mit Plastikmüll einer erheblichen Belastung ausgesetzt, was schwerwiegende Folgen für Umwelt, Klima, Gesundheit und Wirtschaft hat. Das Problem der Verschmutzung beginnt schon an Land: Kommunen an der Küste sowie weit im Inland sind angesichts enormer Müllmengen ebenfalls stark belastet. Für die Abfallwirtschaft müssen sie bis zu 20 Prozent des kommunalen Budgets aufwenden.
Ein verschmutztes städtisches Umfeld schadet nicht nur dem Tourismus, sondern auch der Aufenthaltsqualität für die Bevölkerung. Kommunen zahlen daher hohe Summen für die Reinigung des öffentlichen Raums wie Stränden und Grünanlagen. Herumfliegender Müll kann zudem mit Wind und Regen in die Flüsse und somit ins Meer gespült werden. Für diese Problematik das gesellschaftliche Bewusstsein zu schärfen und Verhalten zu verändern, können Kommunen durch eigene Betroffenheit und ihre Nähe zur Bevölkerung effektiv fördern.
146 Best-Practice-Beispiele aus der kommunalen Praxis
Im Rahmen des Runden Tisch Meeresmüll, der im Jahr 2016 gegründet wurde und an dem bis heute rund 130 Expert:innen teilnehmen, hat der Umweltverband BUND federführend 146 bewährte Lösungen aus der kommunalen Praxis in einem Leitfaden zusammengestellt. Zu insgesamt 14 Oberthemen werden darin Best-Practices aus Städten und Gemeinden in ganz Deutschland beleuchtet: Von Abstimm-Aschenbecher über Bewusstseinsbildung bis Zero-Waste-Festival ist alles dabei.
Einen großen Hebel für die Reduktion von Plastikmüll haben Landkreise, Städte und Gemeinden zum Beispiel bei Veranstaltungen auf ihren kommunalen Flächen. Hier steht aber zwischen Wunsch und Umsetzung des plastikfreien Feierns häufig eine fehlende Spülinfrastruktur.
Spülmobil in Bremen
Für dieses Problem wurde in Bremen eine dynamische Lösung gefunden: Mithilfe städtischer Förderung konnte 2024 ein Spülmobil angeschafft werden. Es kann für Stadtteilfeste und Kulturevents ausgeliehen werden und ermöglicht dort den Einsatz von Mehrweggeschirr statt Einwegplastik. Der Service umfasst Geschirrsätze und Spültechnik, die auf einem praktischen Anhänger untergebracht ist. Ähnliche Modelle gibt es auch in Heidelberg und Wuppertal, wo die lokale Abfallwirtschaft ein solches Angebot zur Verfügung stellt.
Einwegverbot auf Veranstaltungen in München
Wie die nahezu vollständige Umstellung auf Mehrweg auf Veranstaltungen gefördert bzw. gefordert werden kann, zeigen Veranstalter:innen und die Stadt München mit einem Einwegverbot bei Veranstaltungen auf öffentlichem Grund. Als Impulsgeber für diese Maßnahme ist das Münchner Tollwood Festival schon seit den 1990er-Jahren darauf vorbereitet: Sämtliche Speisen und Getränke werden seither ausschließlich in Mehrweggeschirr ausgegeben. Selbst das Oktoberfest – das größte Volksfest der Welt – ist durch die Münchner Vorschriften für die Nutzung kommunaler Flächen in großen Teilen einwegfrei und die Menge an Plastikmüll wurde signifikant gesenkt. Das Wies’n-Bier gibt es ohnehin schon seit jeher nur im echten „Mehrweg“-Maßkrug.
100-Euro-Bonus bei Nutzung von Stoff- statt Plastikwindeln in Heidelberg
In vielen Fällen haben die Lösungen, die Umwelt und Meer vor Verschmutzung schützen, gleichzeitig einen sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert für die Kommunen und ihre Bevölkerung.
Heidelberg zum Beispiel schafft sozialverträgliche Anreize für die Vermeidung von Einweg auch im Privaten: Für die Nutzung von Stoffwindeln gibt es von der Stadt am Neckar einen Bonus von 100 Euro, abrufbar im ersten Lebensjahr des Kindes. Damit werden jährlich Tonnen von Windelmüll vermieden und junge Familien zur Anschaffung der wiederverwendbaren Alternative motiviert und reell unterstützt. Abgesehen von Windeln, fällt im Haushalt auch eine Menge zu entsorgender Kunststoffmüll an.
Umstieg vom gelben Sack zur gelben Tonne im Landkreis Aurich
Der Landkreis Aurich spart Kosten und Mühen mit dem simplen Umstieg vom gelben Sack auf eine gelbe Tonne. Die Tonne verhindert, dass der Müll von Tieren verteilt wird, und die Abfuhrfrequenz konnte damit zusätzlich halbiert werden. Genauso wie der gelbe Sack ist die gelbe Tonne über das Duale System finanziert. Deshalb verursacht sie keine Mehrkosten für die Bürger:innen. U.a. deshalb konnte die Entscheidung zum Umstieg mit breiter Unterstützung aus der Bevölkerung getroffen werden.
Die Beispiele zeigen: Ob sehr einfache oder kreative Maßnahmen zur Reduktion von Einwegprodukten und Vermüllung, es folgen viele positive Nebeneffekte wie ein geringerer Ressourcenverbrauch, eine saubere und gesunde Umwelt und dadurch eine höhere Aufenthalts- und Lebensqualität.
Mit gutem Beispiel voran: Kommunale Beschaffung
Kommunen können in der Plastikvermeidung eine Vorreiterrolle einnehmen und Verantwortung in der internen Beschaffung übernehmen. Beispielsweise hat Hamburg ökologische Standards bei Einkauf und Vergabe definiert. Besonders interessant dabei: eine Negativliste mit Produkten und Produktbestandteilen, die in der Hansestadt grundsätzlich nicht beschafft werden sollen. Dazu gehören u.a. Geräte zur Zubereitung von Heißgetränken mit Portionsverpackungen, Einwegverpackungen, Einweggeschirr, Einwegbesteck sowie Wasch- und Reinigungsmittel mit Mikroplastik
Autor: Tim Bartels, in: UmweltBriefe Oktober 2025
Der Leitfaden mit 146 Beispielen steht für Sie zum Download bereit unter: Handlungsoptionen für Kommunen zur Reduktion des Plastikmüllaufkommens: Sammlung von Best-Practice-Beispielen | Runder Tisch Meeresmüll
Damit Kommunen ihr Selbstverwaltungsrecht voll nutzen können, sind in einem zweiten Leitfaden rechtliche Regelungsmöglichkeiten zusammengetragen: Handlungsoptionen für Kommunen zur Reduktion des Plastikmüllaufkommens: Kommunale Regelungsmöglichkeiten | Runder Tisch Meeresmüll
Das BUND-Meeresschutzbüro berät Küstenkommunen darüber, das Müllaufkommen an der Küste
zu reduzieren. Kontakt: meeresschutz@bund.net
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