Neustart für die Deutsche Bahn: Bundesverkehrsminister stellt Strategie vor
Neustart für die Deutsche Bahn: der Bundesverkehrsminister stellt seine Strategie vor. Foto: nokturnal / AdobeStock
6. Oktober 2025 | Mobilität und Verkehr

Neustart für die Deutsche Bahn

Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene

In 10 Jahren soll es wieder heißen: pünktlich wie die Eisenbahn. Stück für Stück werde es besser, sagte Patrick Schnieder bei der Vorstellung seiner Strategie für die Deutsche Bahn. Spürbare Zuverlässigkeit, bessere Kundenkommunikation, mehr Komfort fordert der CDU-Bundesverkehrsminister. Bis 2030 sollen 500 Bahnhöfe, bis 2035 weitere 500 saniert werden. Kunden müssen „ohne gravierende Verspätungen“ an ihr Ziel kommen, sagte Schnieder.

Seine Pünktlichkeitsziele klingen weniger großspurig als realistisch: Bis Ende 2029 sollen 70 Prozent der Fernzüge „on time“ fahren, irgendwann mal 90 Prozent. Im Nahverkehr soll die Pünktlichkeit mehr als 90 Prozent betragen. Daneben sieht Schnieders Strategie drei Sofortprogramme vor: Das erste soll zu mehr Sicherheit und Sauberkeit an Bahnhöfen führen, das zweite für Echtzeitinfos auf dem Smartphone sorgen und in der Fahrgast-App DB Navigator über Zugausfälle, Verspätungen und Anschlussänderungen informieren, und schließlich soll das dritte Maßnahmenpaket funktionierende und saubere Sanitäranlagen garantieren sowie mehr Service im Bordbistro.

Schnieders Strategie hat den Titel „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“. Das Papier enthält auch eine Bestandsanalyse. Danach lag die Pünktlichkeit des Fernverkehrs im August 2025 bei 59,6 Prozent. Im Juli zuvor war der Fernverkehr drei Tage in Folge sogar weniger als 40 Prozent pünktlich, „zum ersten Mal in der Geschichte der DB“, wie es heißt. Zum Vergleich: 2016 waren es 78,9 Prozent.

„Die Bahn ist in einem schlechten Zustand“

„Die Bahn ist in einem schlechten Zustand“, sagt der Minister. Viele Bahnhöfe und Stellwerke seien marode, kaum eine Fahrt laufe fehlerfrei. „Eine Trendwende zum Besseren ist kaum erkennbar.“ Nun soll alles anders werden: mit neuem Personal und 100 Mrd. Euro bis 2029.

Zu den Änderungen gehören u.a. mehr Unabhängigkeit der gemeinnützigen DB-Infrastrukturgesellschaft InfraGo. Deren Gewinne sollen ausschließlich dem Schienennetz zugutekommen. Zudem soll die InfraGo nun für den DB Navigator zuständig sein und über Zuglaufe informieren.

Kein Sprint, sondern ein Marathon

Den Taktstock für eine neue DB-Ära soll von nun an Evelyn Palla halten, zuvor als DB-Vorständin zuständig für die Regionalzüge, S-Bahnen und Busse der Bahn. Die künftige Bahnchefin mit Lok- und Busführerschein halte an der Generalsanierung fest, sagte Palla in der Bundespressekonferenz. Doch das werde kein Sprint, sondern ein Marathon.

Ambitioniertere Pünktlichkeitsziele

Kritik gibt es an den wenig ambitionierten Pünktlichkeitszielen Schnieders. Der entlassene Bahnchef Richard Lutz wollte bereits bis 2027 die 75 Prozent und 2029 80 Prozent Pünktlichkeit erreichen. „Ich halte das für brandgefährlich“, sagte Schnieder, schon seine Ziele seien ehrgeizig. Doch „das reduziert den Druck für Veränderungen“, sagt der Co-Leiter für Verkehrspolitik am Wuppertal-Instituts, Thorsten Koska. Für eine verlässliche Bahn brauchte es ambitionierte und mit Sanktionen verknüpfte Pünktlichkeitsziele, sagt er. Außerdem findet Koska, sei der Ausbau des Netzes in die Fläche notwendig sowie leistungsstärkere Bahnstrecken mit viel mehr Ausweichmöglichkeiten, „als dies bislang konzipiert ist“, um künftig mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Ende August hatten drei Bahnexperten – darunter der für die Bundesnetzagentur zur Eisenbahnregulierung tätige und derzeit an einem Gutachten für die InfraGO schreibende Netzwerkökonomieprofessor Kay Mitusch – Ursachen für die Verspätungen der DB sowie mögliche Abhilfen diskutiert. Dazu zählen mehr Überholmöglichkeiten auf der Strecke, eine bessere Wartung der Züge sowie mehr Reserven bei Zügen und Personal. Außerdem müsse der Bund eine bessere finanzielle Aufsicht über die Bahn walten lassen. Die Bundesregierung „hat allenfalls einen blassen Schimmer davon, was zum Beispiel Gleise, Signale oder Bauarbeiten kosten dürfen“, sagt Kay Mitusch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Unter der Prämisse „Gemeinwohlorientierung“ könne die InfraGO ohne Kontrolle „nach Herzenslust Steuergeld“ ausgeben. Nötig sei eine Bundesbehörde, die sich dauerhaft mit den Kosten befasst. Mitusch empfiehlt die unabhängige Bundesnetzagentur, für die er selbst tätig ist.

Profitabilitätszwang bleibt

Bis auf die gemeinnützige InfraGo sollen die Sparten der DB AG schwarze Zahlen schreiben. Doch „durch den Fokus auf eine dauerhafte Wirtschaftlichkeit – Ziel 2 der Strategie – besteht die Gefahr, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen“, sagt Wuppertal-Wissenschaftler Koska. Mit einem Profitabilitätszwang wurden Reserven in Personal, Zügen, Wartungsintervallen und Infrastruktur abgebaut, „die für ein zuverlässiges System wichtig sind“. Deshalb sei zu befürchten, so Koska, „dass viele notwendige Maßnahmen nur in abgespeckter Form oder zeitlich verzögert umgesetzt werden“.

Autor: Tim Bartels, in:  UmweltBriefe Oktober 2025


Die Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene unter:  BMV – Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder stellt „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ und Führungsspitze vor

Download der Agenda unter:  https://www.bmv.de/SharedDocs/DE/Anlage/K/bahn-agenda.pdf?__blob=publicationFile

Die Expertenbefragung, wie die Bahn wieder pünktlich werde und wie Palla Probleme lösen könnte,
lesen oder hören Sie im Video unter: Wie wird die Bahn wieder pünktlich – wie könnte Lutz’ Nachfolger die drängendsten Probleme lösen?


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