Moore: Gehen Klimaschutz und Nutzung zusammen?
Moore sind wichtige Kohlenstoff-Speicher. Dafür müssen sie wiedervernässt werden. Schließt das eine wirtschaftliche Nutzung aus? Foto: PhotoSG/AdobeStock
6. Dezember 2021 | Klimaschutz und Klimaanpassung

Moore: Gehen Klimaschutz und Nutzung zusammen?

Nationale Strategie zum Schutz der Moore

Nachdem Mitte August 2021 eine nationale Strategie zum besseren Schutz der Moore am Widerstand des Land­wirtschaftsministeriums gescheitert war, haben Bund und Länder am 20. Oktober wenigstens noch eine „Zielvereinbarung“ unterschrieben. Angestrebt wird, die jährlichen Treibhausgasemissi­onen aus Moorböden (ca. 53 Mio. t CO2-Äquivalente) bis zum Jahr 2030 durch Wiedervernässung um fünf Millionen Tonnen zu senken. „Voraussetzung für die Erreichbarkeit dieses Minderungs­ziels ist die Bereitstellung der erforderlichen Finanzmittel“, heißt es in dem Papier. „Wir setzen auf das Prinzip der Freiwilligkeit“, sagt dazu Noch-Umweltministerin Svenja Schulze.

Engagierter Wiederaufbau

Nach Jahrhunderten des Verlustes von Mooren brauchen wir jetzt ein Jahrzehnt des engagierten Wie­deraufbaus. Sagte die Geschäftsführerin des Umweltministeriums (BMU), Svenja Schul­ze, bei der Unterzeichnung der Bund-Län­der-Vereinbarung. Mit dabei Julia Klöckner: „Gemeinsam mit den Bundesländern sorgen wir hier für eine enorme Einsparung von Emissionen“, bekundete die Gerade-noch- Landwirtschaftsministerin auf Abruf.

Moore als Kohlenstoff-Speicher

Moore bedecken in Deutschland nur fünf Prozent der Landesfläche, sind aber für den Klimaschutz genauso wichtig wie unsere Wälder, die ein Drittel der Staatsfläche ausma­chen. Diese nur 18 000 km2 Moorböden ver­mögen so viel Kohlenstoff zu speichern wie der gesamte Wald.

Der Grund dafür, warum Moore so viel Kohlenstoff speichern, liegt in ihrer dichten organischen Masse, dem Torf: Dieser spezielle Bodentyp bildet sich durch Pflanzenreste, die sich unter Luftabschluss nur sehr, sehr langsam zersetzen. Die Torf­schicht wächst pro Jahr nur um einen halben bis einen Millimeter. Im weltweiten Durch­schnitt enthalte ein Hektar Moor die gleiche Kohlenstoffmenge wie zwei Millionen Liter Diesel, sagt Moorforscher Hans Joosten vom Greifswald Moor Centrum.

Der Klimawan­del sei ohne diese natürlichen CO2-Speicher nicht in den Griff zu bekommen. Doch dafür müssten sie wieder nass werden. Mehr als 80 Prozent der Moorflächen hierzulande sind nämlich trockengelegt und werden landwirt­schaftlich genutzt. Dabei setzen sie große Mengen des gespeicherten Kohlenstoffs als Klimagase CO2 und CH4 wieder frei: jähr­lich 53 Mio. t, was 6,7 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen entspricht.

Wiedervernässung statt Torfstechen

Um diese Emissionen aus land- und forst­wirtschaftlich genutzten Moorböden dauer­haft zu senken, wollen Bund und Ländern nun „zügig ambitionierte Maßnahmen“ ergreifen. Laut ihrer Zielvereinbarung soll der Torfabbau in Deutschland auslaufen, Anträge dazu würden künftig nicht mehr genehmigt. Vielmehr sollen Moorböden großflächig wiedervernässt werden. Trotz der angehobenen Wasserstände soll aber eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung weiter­hin möglich sein. Moorforscher Joosten er­fand dafür den Begriff „Paludikultur“ (nach lat. palus für Sumpf). Das Konzept sieht vor, wiedervernässte Moore für den Anbau von Schilf, Rohrkolben und Torfmoos zu nutzen.

Zur Finanzierung der Wiedervernässung stelle die Bundesregierung über den Ener­gie- und Klimafonds bis 2025 rund 330 Mio. Euro zur Verfügung, heißt es aus dem BMU. Bundesländer und Kommunen sollen ge­meinsam mit Landwirten entscheiden, wie die Renaturierung vor Ort organisiert werde. Alles beruhe auf dem Prinzip der Freiwillig­keit. Nach Auffassung Joostens lassen sich 90 Prozent der entwässerten Moore wieder­vernässen und für die Paludikultur nutzen.

Nutzfläche versus Klimaschutz?

Kritik daran kommt aus Niedersachsen, dem Bundesland mit der größten Moorfläche (6 900 km2), das sich zunächst wegen „Prüf­vorbehalten“ weigerte, die Zielvereinbarung überhaupt zu unterschreiben. Landwirte befürchteten, dass aus Gründen des Klima­schutzes ganze Moorregionen wiederver­nässt werden könnten und damit den Bauern nicht mehr zur Verfügung stünden, heißt es aus dem Landvolkkreisverband Weser­marsch. Das käme einer „kalten Enteignung“ gleich, meint dessen Vorsitzender Dr. Karsten Padeken. „Strukturhilfen im großen Maßstab“ seien nötig, um den Menschen vor Ort eine Perspektive zu bieten.

Dabei finden Joosten und sein Greifs­walder Team das Moorschutzziel, 5 Mio. t CO2-Äquivalente bis 2030 einsparen zu wol­len, für eher „deutlich zu unambitioniert“.

Pilotvorhaben und Fördermöglichkeiten

Zur Erprobung und Weiterentwicklung nasser Bewirtschaftungsweisen fördert das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) unter der neuen Leitung von Bundesumweltministerin Steffi Lemke mehrere Pilotvorhaben zum Moorbodenschutz in Höhe von insgesamt 48 Millionen Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren (2021-2031). Zuständige Projektträgerin ist die Zukunft –Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH.

Zielvereinbarung zum Moorbodenschutz  Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz | Download | BMU

Die Stellungnahme des Greifswald Moor Centrums zum Moorstrategie-Papier des Bundesgierung lesen Sie unter  2020_Stellungnahme_Moorschutzstrategie_GMC_final.pdf (greifswaldmoor.de)

Die Moorschutzstrategie des BMU finden Sie als PDF unter  Nationale Moorschutzstrategie (bmu.de)

Zum Pilotvorhaben des BMUV  Pilotvorhaben Moorbodenschutz | ZUG (z-u-g.org)

 

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, November 2021, aktualisiert im Januar 2022.

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