Preis zur Förderung von Fußverkehr in Kommunen
Wem gehört die Straße? Kiel und Pleidesheim werden für ihre fußverkehrfreundliche Stadtplanung ausgezeichnet. Foto: deberarr/AdobeStock
20. März 2023 | Mobilität und Verkehr

Gut gehen lassen: Bündnis für attraktiven Fußverkehr

Erster kommunaler Preis für Fußverkehr

Pleidelsheim und Kiel, lobt Katrin Dziekan vom Umweltbundesamt (UBA), zählen zu den „tollen Vorreiter-Kommunen, die den Fußverkehr fördern“. Diese Beispiele zu würdigen und in die Breite zu tragen, findet die UBA-Fachleiterin sehr wichtig und flugs unterstützten ihre Behörde und das Bundesumweltministerium das Projekt „Gut gehen lassen – Bündnis für attraktiven Fußverkehr“ des Fachverbands Fuss e.V. und dessen erstmals ausgerichteten kommunalen Wettbewerb. Elf Kommunen nahmen daran teil. Neben den Preisträgern waren das Aachen, Bielefeld, Frankfurt, Hamburg-Eimsbüttel, Hamburg-Nord, Kalletal, Konstanz und Berlin.

Pleidelsheimer Ökologie-Konzept

Kinder und Jugendliche kommen im öffentlichen Raum immer weniger vor. Man spricht von der „Generation Rücksitz“. Andern soll sich das jetzt in Pleidelsheim, einer 6500-Seelen-Gemeinde nördlich von Ludwigsburg. Aus jedem der vier Wohnvierteln dort wird eine attraktive Route ins Ortszentrum entstehen. Diese Wege sollen vor allem für Schulkinder und für ältere Menschen „als sicher und angenehm empfunden werden“, hat sich die Arbeitsgruppe Ökologisch mobil in Pleidelsheim vorgenommen, die sich 2019 gründete und an der sich alle im Ort beteiligen können. Bürgerbeteiligung ist ein entscheidender Punkt im Pleidelsheimer Ökologie-Konzept.

Durch Gründung verschiedener Arbeitsgruppen erhöhe sich das Engagement der Pleidelsheimer, heißt es in dem Papier. „Sie entwickeln eigene Ideen, wie beispielsweise motivierende Spielstationen für die Kinder.“ Berichtet wird von beleuchteten und dekorierten Fenstern, die es zu erkunden gilt, einer selbst entworfenen Murmelbahn, Grünflächen mit Ziegen, Hasen und Schildkröten sowie einem geplanten Skaterpark. Die AG trifft sich regelmäßig und macht gemeinsame Ortsbegehungen, um die Problemstellen zu begutachten – mit dem Bürgermeister, der Lokalpresse, den Amtsleitern und der Polizei.

Kiel: bespielbare Quartiere für mehr Fußverkehr

Um der Tristesse öder Schulwege – rechts Häuserwand, links Autowand und unter einem das graue Pflaster – etwas Attraktives entgegenzusetzen, hat das Kieler Tiefbauamt Betonelemente geschaffen. Die Straßen Kieler Kuhle und Danziger wurden so zu erlebbaren Kinderwegen umgestaltet und mit Bäumen bepflanzt, an Kreuzungen die Bordsteine abgesenkt und Gehwegnasen eingebaut.

Solcherart „bespielbares Quartier“ geht auf den Sozialwissenschaftler Bernhard Meyer zurück. Der frühere Darmstädter Hochschulprofessor befragte Kinder nach ihren bevorzugten Wegen und ließ dort Spielobjekte aufstellen. Sein Ziel: Zurückeroberung des öffentlichen Raums. So auch der Plan im Kieler Stadtteil Ellerbek und Wellingdorf. Mit Erfolg: Die schleswig-holsteinische Hauptstadt erhielt dafür neben Pleidelsheim den 1. kommunalen Fußverkehrspreis.

Berliner Parklets

Der Berliner Senat erhielt einen Sonderpreis für sein „Kiez-Parklet“ Programm: Holzflächen mit Sitzbänken und Grün auf bisherigen Parkplatzen, die das Umfeld verschönern, zum Verweilen einladen und damit auch den Fußverkehr fördern sollen. Nachbarschaftsinitiativen und Vereine vor Ort bauten bisher 65 Parklets, die durchschnittlich 3 500 Euro kosteten. Für 2023 sollen dafür weitere 300 000 Euro bereitstehen.

Worauf kommt es bei der Förderung von Fußverkehr an?

„Auf die richtigen Leute in der Verwaltung, das Wohlwollen der Straßenverkehrsbehörde und die Unterstützung durch die Kommunalpolitik“, berichtet Fuß-Projektleiter Patrick Riskowsky von Gesprächen mit den Preisträgern. „Man müsse zudem die richtigen Begründungen für bestimmte Maßnahmen wie die Sperrung von Wohnstraßen für den Autoverkehr haben.“ Sozialforscher Bernhard Meyer aus der hessischen Stadt Griesheim, die 2009 als Deutschlands erste „Bespielbare Stadt“ bekannt wurde, sagte bereits 2015: „Es kommt immer auf den Bürgermeister an. Wenn die Verwaltung merkt, dass der Chef nicht will, dann wird sich auch nichts ändern.“ Doch auch die Bundespolitik ist gefordert.

„Viele Städte und Gemeinden würden gern mehr für den Fußverkehr tun“, sagt Fuss-Vorstand Ruth Hammerbacher. „Aber sie dürfen nicht, weil veraltete Vorschriften ihnen vieles verbieten oder stark erschweren – zum Beispiel mehr Spielstraßen, Zebrastreifen und menschenfreundliche Geschwindigkeiten.“ Auch für UBA-Fachfrau Dziekan müsse der Bund den Rechtsrahmen dringend ändern. „Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts wäre ein entscheidender Schritt“, damit der Fußverkehr sicherer und attraktiver werde.

Zum Fußverkehrspreis des Fachverbands Fußverkehr Deutschland FUSS e.V.:  Fußverkehrspreis: Sieger und weitere Projekte (fuss-ev.de)

Autor: Tim Bartels,  UmweltBriefe, März 2023

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