Liefert das Konjunkturprogramm der Bundesregierung mehr Geld für den Klimaschutz?
Angesichts der dramatisch klaffenden Finanzlücken als Folge der Coronakrise fordern die kommunalen Spitzenverbände für die Städte und Gemeinden „echte Zuweisungen statt Kredite“. Der Städtetag rechnet dieses Jahr mit finanziellen Belastungen der Kommunen von 20 Mrd. Euro. Foto: 4th Life Photography/AdobeStock
4. Juni 2020 | Klimaschutz und Klimaanpassung

Konjunkturprogramm: Frisches Klima-Geld

Die Bundesregierung schreibt gerade ein milliardenschweres Konjunkturprogramm, um die Wirtschaft nach dem Corona-Lockdown aus der Talsohle zu holen. Doch welche Branchen und Technologien sollen wie unterstützt und gefördert werden?

Der doppelte Booster

„Man darf jetzt nicht blind auf die bisherigen Strukturen gucken, sondern muss die Maßnahmen zukunftsgerichtet gestalten“, sagt Patrick Graichen. Der Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende warnt davor, einen „Jahrhundertfehler“ zu begehen, wenn jetzt „noch mal in die falsche Richtung“ investiert werde. Graichen schlägt gemeinsam mit der Agora Verkehrswende ein Wachstums- und Investitionsprogramm vor, das Konjunktur UND Klimaschutz bedienen soll und deshalb „doppelter Booster“ betitelt wurde.

Der Bau- & Mobilitätswirtschaft zukunftssicher aus der Krise helfen

Die Agoren denken dabei an einen 100-Mrd.-Euro-Topf bis 2022, aus dem ein Viertel für die Bauwirtschaft vorgesehen ist: 25 Mrd. Euro sollen in serielles Sanieren nach dem Energiesprong-Prinzip, in Öko-Fernwärmenetze und in den Austausch von Öl- und Gasheizungen gegen elektrische Wärmepumpen sowie in die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude fließen. Für den Verkehrssektor sind 15 Mrd. Euro reserviert, um der E-Mobilität zum schnelleren Durchbruch zu verhelfen und den ÖPNV attraktiver zu gestalten. „Nach einer EU-Richtlinie ist es vorgeschrieben, dass bis 2025 die Hälfte aller Busse CO2-frei fahren müssen“, sagt Graichen. Das sei für viele Kommunen „eine Riesenherausforderung, von der sie nicht wissen, wie sie sie stemmen sollen“. Die Krise müsse man nun nutzen, um „innovative Bussysteme“ zu installieren, damit auch die Hersteller auf diesen Pfad einschwenken. „Dann haben wir gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.“

Stärkung der Kaufkraft durch Senkung des Strompreises

Um die Kaufkraft der Verbraucher wieder zu stärken, senkte die Politik in der Vergangenheit zumeist eine Steuer. Doch die Agoren halten es für sozial gerechter, die Strompreise zu mindern – und das nicht, wie andere empfehlen, durch Absenken der Stromsteuer. Vielmehr soll laut Agora-Vorschlag die ohnehin für 2021 geplante Herabsetzung der EEG-Umlage bereits vom Juli an gelten – und zwar nicht wie bislang vorgesehen um nur 1,6 Ct, sondern um 5 Ct/kWh. Für Privathaushalte würde die Kilowattstunde dann um etwa 20 Prozent oder rund sechs Cent billiger, für Gewerbe und Industrie um ein Viertel. Vorausgesetzt, die Energieversorger geben die Umlagensenkung auch an ihre Kunden komplett weiter.

Während sich der Länderrat der Grünen den Agora-Vorschlag schon zu eigen gemacht hat, glaubt der frühere Grünen-Abgeordnete und EEG-Vater Hans-Josef Fell nicht daran, dass sich durch Kürzen der Umlage die Haushaltsstrompreise senken ließen. Doch Graichen ist davon überzeugt. Ihm ist wichtig, „jetzt bei der Strompreisminderung nicht zu kleckern, sondern zu klotzen“. Dafür sind in seinem 100-Milliarden-Euro-Programm 22 Mrd. Euro vorgesehen. Und diese staatliche Hilfe aus dem Bundeshaushalt bedeutet ganz klar: Neuverschuldung. Erst ab 2022 ließen sich die fünf Cent aus dem vorgesehenen höheren CO₂-Preis im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) wieder reinholen. „Bis die CO₂-Preis-Einnahmen aus dem BEHG die Senkung der EEG-Umlage vollständig gegenfinanzieren, kann über die KfW eine Zwischenfinanzierung vorgenommen werden“, heißt es in dem 50-seitigen Agora-Papier.

Umbau der Industrie

Weitere 15 Mrd. sollen in den Umbau der Industrie fließen. Hier sollen mit je 5 Mrd. Euro die Wasserstoffherstellung sowie die klimafreundliche Produktion in der Stahl-, Zement- und Chemieindustrie angeschoben werden. Ebenfalls 5 Mrd. Euro sollen in die Energieeffizienz von Produktionsprozessen fließen. Zudem schlägt das Papier auf Basis erneuerbarer Energien eine Regulierung für Industriestrom vor, der durch weitgehende Befreiung von Abgaben und Umlagen besonders günstig sein kann. Und zu guter Letzt will man 20 Mrd. Euro in europäische Projekte investieren. „Ich bekomme häufig die Frage, welchen Sektor ich priorisieren würde“, sagt Graichen. Seine Antwort: „Alle, immer vorausgesetzt, es wird in die Zukunftstechnik investiert.“

Agora Energiewende, Agora Verkehrswende (2020): Der Doppelte Booster: Vorschlag für ein zielgerichtetes 100-Milliarden-Wachstums- und Investitionsprogramm:  https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/der-doppelte-booster/

Das Energiesprong-Prinzip:  https://www.energiesprong.de/was-ist-energiesprong/

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, Juni 2020

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