Bild von Kinderarbeit als Symbolbild für die Notwendigkeit eines Lieferkettengesetzes.
In Deutschland tut sich die Politik schwer, verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen z.B. gegen Kinderarbeit in einem Lieferkettengesetz zu formulieren. Foto: AdobeStock
12. Juni 2020 | Kommunales Nachhaltigkeitsmanagement

Lieferkettengesetz verschleppt

Am 10. März 2020 wollten Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz vorstellen. Dieser Termin wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Dem Vernehmen nach soll Wirtschaftsminister Peter Altmaier ein solches Gesetz derzeit blockieren – der Coronakrise wegen. Die Bundesregierung lässt den Unternehmen bis Ende dieses Jahres Zeit, die Vorgaben des „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) umzusetzen. Rund 3.200 deutsche Firmen wurden angeschrieben und gefragt, wie sie es mit ihren Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten halten. Ein erstes Zwischenergebnis 2019 ergab, dass gerade einmal 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des NAP angemessen erfüllen. Die Ergebnisse des Gesamtmonitorings sollen Mitte Juli vorliegen.

Was in Deutschland verboten ist, darf nicht bei ausländischen Zulieferern geduldet werden

Viele NGOs finden „gerade in Zeiten von Corona wichtig, Menschenrechte entlang der Lieferketten in den Fokus zu nehmen“. Millionen junge Menschen liefen Gefahr, als Folge der Krise wieder in die Kinderarbeit gestoßen zu werden, teilen Unicef und ILO in einem gemeinsamen Bericht mit.

Die Initiative Lieferkettengesetz, ein Bündnis aus derzeit 91 Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen sowie Gewerkschaften und kirchlichen Akteuren, fordert dringend ein solches Gesetz, das ein Unternehmen dazu verpflichtet, für ökologische und soziale Nachhaltigkeitsstandards entlang ihrer Lieferkette zu sorgen. „Was in Deutschland verboten ist – zum Beispiel ausbeuterische Kinderarbeit – darf nicht länger bei ausländischen Zulieferern deutscher Unternehmen geduldet werden“, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel von Brot für die Welt. Menschenrechte dürften nicht nur in guten Zeiten gelten, so die Initiative: „Sie sind nicht verhandelbar, sondern international vereinbarte Grundrechte, die eingehalten werden müssen – auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.“ Ein Lieferkettengesetz sei überfällig. Dass es hier endlich vorangehe, hielten auch die Minister Heil und Müller für notwendig.

Option für ein EU-Gesetz 2021

EU-Justizkommissar Didier Reynders gab im Dezember 2018 eine Studie in Auftrag, die Regulierungsoptionen für Sorgfaltspflichten in der Lieferkette untersucht hat. Danach prüft bislang nur jedes dritte Unternehmen in der EU seine globalen Lieferketten auf das Einhalten ökologischer wie sozialer Nachhaltigkeitsstandards. Etwa, ob seine Lieferanten keine Kinderarbeit einsetzen oder ob sie keine Abfallprodukte in die Flüsse schütten. Laut Studie stimmten 70 Prozent der 334 antwortenden Unternehmen darin überein, dass ihnen eine entsprechende Regelung auf EU-Ebene Vorteile bringen könnte.

Diese Studie unterstreicht auch die Ziele des Green Deal. Demnach sollte Nachhaltigkeit stärker in die Corporate-Governance-Regeln in der EU eingebettet werden, da sich viele Unternehmen im Vergleich zu ihren langfristigen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsaspekten zu sehr auf die kurzfristige finanzielle Performance fokussieren.

Umwelt- und Entwicklungshilfeverbände fordern aber „Gesetze, die darüber hinausgehen, dass Unternehmen bloß irgendwelche Punkte auf einer Liste abhaken“. Ein solches Gesetz müsse menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen beinhalten; Verstöße müssten bestraft werden und Betroffene rechtlich gegen Verstöße vorgehen können, verlangt Jill McArdle von Friends of the Earth Europe (FoEE) in Brüssel.

Im Zusammenhang mit der Studie kündigte Reynders für 2021 einen Gesetzesentwurf für ein Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene an. Dieses solle Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Wertschöpfungsketten verpflichten und öffentlich-rechtliche Sanktionen ebenso wie Klagemöglichkeiten für Betroffene vorsehen.

Die Initiative Lieferkettengesetz:  https://lieferkettengesetz.de

 Hier können Sie ein PDF des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menenschenrechte (NAP) einsehen.

Zum Monitoring des NAP:  www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/aussenwirtschaft/wirtschaft-und-menschenrechte/monitoring-nap

Zur Studie der EU:  https://ec.europa.eu/germany/news/20200224verantwortungsvolle-lieferketten-studie-untersucht-optionen-fuer-eu-gesetzgebung_de

Zum Bericht von UNICEF und ILO:  https://unicef.at/news/einzelansicht/ilo-unicef-kinderarbeit-covid-19-gefaehrdet-zuzueglich-millionen-kinder/